Eine offene Tür zum Judentum

“Hier ist die Tür offen, wir zeigen das Judentum in seiner Vielfalt.” Heinrich C. Olmer

Die Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs

Die Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs

Zum jüdisch-christlichen Dialog haben sehr viele Theologen sehr viele kluge Dinge geschrieben. Wie der jüdisch-christliche Dialog in der Praxis konkret ausschaut und wohin er sich – wahrscheinlich – entwickeln wird, das können am besten die erzählen, die als Dialogpartner/innen gemeinsam auf dem Weg in die Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs sind.

Der Einladung des Jüdischen Lehrhauses Bamberg folgten Dr. Johannes Wachowski, evangelischer Theologe und seit 2011 der Vorsitzende des Vereins ‚Begegnung Juden und Christen in Bayern‘ (BCJ), Frau Barbara Göb, katholische Theologin und Beauftragte für den interreligiösen Dialog im Dekanat Bamberg und die jüdische Theologin Dr. Yael Deusel, Rabbinerin in Bamberg. Dr. Ortwin Beisbart moderierte fachkundig und einladend das Streitgespräch dieser Dialogexperten.

Die Erfahrungen und Positionen der drei – praktischen – Theologinnen sind, so ähnlich sie auf den ersten Blick auch wirken, vielfältig und profiliert:

So formuliert Dr. Deusel aus jüdischer Perspektive als Ziel für den jüdisch-christlichen Dialog „sich im Alltag näher zu kommen“, sich weniger mit der Vergangenheit und ihrer Bewältigung zu beschäftigen als mit der Tatsache, dass „das Judentum lebt und man in der Synagoge auch lachen darf“.

Dr. Wachowski berichtete von dem nachhaltig gelungenen Projekt der Predigtmeditationen, in dem jeweils ein jüdischer wie ein christlicher Theologe sich mit einer konkreten Bibelstelle auseinandersetzt. Damit wird „das Judentum“ für Christen aus der „musealen Begegnung“ in die lebendige, befreite und befreiende Gegenwart des gemeinsamen theologischen Diskurses gehoben. Und Wachowski erzählte auch von irritierenden Beobachtungen und ambivalenten Gefühlen im Blick auf die Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs, die er in der evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns durch eine „merkwürdige Gemengelage“ charakterisiert sieht.

Barbara Göb kennt eine solche Gemengelage unterschiedlicher theologischer Positionen und Profilnöte verschiedenster Akteure auch, kann das allerdings überzeugend in die katholische Kultur des „et et“ einordnen: „Als Katholik ist man es gewohnt, mit Widersprüchen zu leben“. So stellen z. B. die zeitgleichen Überzeugungen der unaufgelösten Erwählung des Volkes Israel, der unaufgekündigte Bund des Ewigen mit seinem Volk einerseits und das Diktum des „Heils durch Christus“ eine theologische Herausforderung dar, die es nicht nur in der gelehrten Diskussion, sondern auch im praktischen Dialog und Vollzug vor Ort wahrzunehmen und zu bewältigen gilt.

Und gerade da stellt sich für Göb die Aufgabe, aus dem Museum und dem Klischee des „Schläfenlockenträgers an der Klagemauer“ und auch aus den symbolgeprägten Dialogformen herauszutreten, gemeinsam nach vorne zu schauen und in gemeinsamen Projekten als Jüdinnen und als Christinnen für die Gesamtgesellschaft wirksam zu werden.

Aus diesen Positionen entwickelte sich an diesem Lehrhausabend eine spannende und spannungsvolle Frage: Was ist das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Aufgabe von Juden und Christen in der bundesdeutschen Gesellschaft – und wie bestimmt sich dieser spezielle Auftrag im Vergleich zu anderem zivilgesellschaftliches Engagement?

Wertschätzung der Verschiedenheit

Die Basis scheint klar zu sein: „Der Andere ist anders als ich – und das ist auch gut so!“ Oder mit den Worten von Dr. Deusel: „Solange ich die Trinitätslehre nicht selber glauben muss, habe ich kein Problem damit.“

Und das Wesentliche dabei ist: ‚Anders‘ ist nicht schlechter oder besser. Anders ist im günstigsten Fall die Anregung das Eigene neu zu denken und neu zu entscheiden. Und das ist zweifelsohne eine Herausforderung, eine Pro-Vokation.

Der Weg zur Normalität ist die Normalität

Der Weg, diese Haltung zu entwickeln, führt nicht über die theologische Auseinandersetzung: Eine ‚Normalität‘, in der Menschen Spaß miteinander haben, „ganz normale Dinge“ tun, miteinander Musik machen und die Kinder miteinander spielen, gilt es zu schaffen – und diese Atmosphäre des „gereiften Dialogs“ (Wachowski), der Differenz nicht nur aushält, sondern auch zutiefst wertschätzt, gilt es wahrzunehmen, aktiv zu gestalten und auch zu genießen.

Das Bedürfnis nach dem Dialog mit der Welt, in der wir leben

Für die jüdische Gemeinde stellt Deusel deutlich fest: „Wir sind keine geschlossene Gesellschaft, wir brauchen und wollen den Dialog mit der Welt, in der wir leben.“

Dr. Deusel gibt so der Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs eine hilfreiche Perspektive: In der bunten Gesellschaft, in der wir leben – und mit der eben alle, Juden wie Christen, Kontakt und Austausch brauchen, gilt es, „als Religiöse“ einzustehen für wirkliche Toleranz, für die Wertschätzung der Verschiedenheit und der Gemeinsamkeit.

„Religion ist unser Beruf, natürlich, aber sie ist kein Selbstzweck! Religion muss sich um den Menschen kümmern.“ (Dr. Yael Deusel)

Der Jüdisch-Christliche Dialog kann da ein Vorbild sein: In seinen institutionalisierten Formen hat er in den letzten 60 Jahren auch schwierige, schuld-, angst- und schambesetzte Erfahrungen mit großer Vorsicht und Sensibilität und mit der Sicherheit stützender Rituale bearbeiten können.

Dieses großartige Engagement und der versöhnende Mut sind Auftrag es weiter zu führen, immer wieder neue Formen auszuprobieren und Bewährtes zu pflegen.

Und gerade für die Zukunft wird das noch wichtiger werden: Im jüdisch-christlichen Dialog der Zukunft wird es sich um das Handeln von Menschen handeln, die in der Gesellschaft in der Minderheit sind: Die Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik bezeichnet sich selbst als „nicht religiös“. Waren bisher die Juden die Experten darin, eine religiös definierte Minderheitsgesellschaft in einer Mehrheitsgesellschaft zu sein, gilt das heute für alle „Religiösen“. So scheint es, dass sowohl der interreligiöse Dialog, wie auch der Dialog „der Religiösen“ mit den Akteuren und Stakeholdern der Mehrheitsgesellschaft heute ähnlichen Bedingungen unterliegt: klar definierte und profilierte ICH-Akteure, die einander in Achtung und Wertschätzung begegnen und im Anderen das bereichernde und identitätsstiftende Du finden können.

Das Dialogische Prinzip Martin Bubers hat auch für die Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs eine bedeutsame Relevanz. In der Interaktion der Verschiedenen entsteht das Neue, das Verbindende: Die neuen Fragen tauchen auf, die „alten“ (soll heißen, aus der Tradition von Juden und Christen genährten) Antworten werden neu formuliert und neue Identitätsaussagen über sich selbst und den anderen werden möglich.

Heike Kellner-Rauch

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